Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft verändert auch die Anforderungen an das Credit Management. Ein Aspekt beispielsweise ist die zunehmende Kommunikation mit internationalen Kunden, Partnern und Dienstleistern – und das wiederum führt zu einem steigenden Bedarf an Übersetzungen. Was aber ist bei der Beauftragung eines Sprachdienstleisters zu beachten? Im Gespräch mit dem Magazin D er CreditManager gibt Stephan Oeller , Präsident des internationalen Übersetzungsbüros Noraktrad mit Hauptsitz in Madrid, Tipps und beleuchtet aktuelle Trends der Branche .Dabei sind durchaus Parallelen zu Credit Managern zu erkennen.

CM: Wie hat sich der globale Übersetzungsmarkt in den vergangenen Jahren entwickelt?

SO: Die Übersetzungsbranche setzt zurzeit weltweit fast 5 0 Milliarden Euro pro Jahr um, Tendenz steigend. Der deutsche Markt hat ein Volumen von etwa einer Milliarde Euro jährlich.Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Übersetzungs- und Dolmetscherbranche auf absehbare Zeit mindestens um zehn Prozent pro Jahr wächst. Diese Entwicklung können wir bestätigen: Wir sind in den vergangenen 15 Jahren immer im zweistelligen Bereich organisch gewachsen.

CM: Credit Manager haben ja mehr mit Zahlen zu tun als mit Worten. Wora n können sie ein gutes Übersetzungsbüro erkennen?

SO: Zunächst einmal ist eine Zertifizierung nach ISO 9001 oder DIN EN ISO 17100 eine wichtige Grundvoraussetzung . Damit garantieren die Sprachdienstleister unter anderem transparente Prozesse. Zudem sollten sie Referenzen aus dem betreffenden Geschäftsfeld vor legen können . Seriöse Anbieter ermöglichen auch eine kostenlose Probeübersetzung zum Kennenlernen. Grundsätzlich sollte jede Übersetzung intern von einem Revisor gegengelesen werden, bevor sie dem Kunden geliefert wird. Letztendlich kommt es auf die richtige Balance im „magischen Dreieck“ an: Preis, Qualität und Lieferzuverlässigkeit. Man sollte also nicht nur über den Preis einkaufen, sondern auch die anderen Aspekte bei der Bewertung einbeziehen. Wenn die Qualität der Übersetzung nicht stimmt oder die Dokumente zu spät angeliefert werden , hat man nichts vom niedrigen Preis.

CM: Wie überall, gibt es auch in der Übersetzungsbranche „Schwarze Schafe“ . Bei welchen Signalen sollte man alarmiert sein?

SO: Grundsätzlich sollte man mehrere Angebote einholen. We nn ein Dienstleister sehr weit unter Marktpreis anbietet, sollte man zumindest genau hinsehen. Wenn er darüber hinaus keine Zert ifizierungen vorweist, ist Vorsicht geboten. Auch eine Haftpflichtversicherung sollte vorgelegt werden können. Falls tatsächlich einmal etwas schiefgeht, ist der Kunde damit gegen Regressansprüche abgesichert.

CM: Was ist bei der Übersetzung von Texten in der Finanzbranche zu beachten?

SO: Der Sprachdienstleister muss nachweisen können,dass der ausgewählte Übersetzer und der Revisor sich in der Materie auskenn en . Das heißt in diesem Fall ,dass d ie ausführenden Mitarbeiter in Betriebswirtschaft heimisch sind , am besten ein entsprechendes Studium absolviert ha ben . Idealerweise w issen sie , was Credit Management ist. Das gleiche gilt für technische Dokumentationen : D a sollte n Übersetzer und Revisor am besten I ngenieur esein.

CM: Wie wird die Verschwiegenheit gewährleistet , wenn z.B. sensible Verträge oder gar Patente übersetzt we r den ?

SO: Alle beteiligten Personen – vomVertriebsmitarbeiter über den Projektmanager und den Übersetzer bis hin zum Revisor – müssen eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Wir haben dafür spezielle Dokumente entwickelt , manch eKunden haben auch entsprechende eigene Formulare in petto . Diese Absicherung ist immens wichtig. Gerade bei Patenten kann der Schaden durch vorzeitiges Bekanntwerden enorm sein. Das gleiche gilt natürlich für Firmenübernahmen, Betriebsanleitungen für Maschinen oder internationale Immobiliengeschäfte.

CM: Welche Rolle spielt Software bei der Übersetzung?Kann man heutzutage nicht schon besser Online-Übersetzer wie Google Translate oder Deepl einsetzen?

SO: D as macht nur dann Sinn, wenn man sich schnell einen ersten Überblick verschaffen will. Wer einmal längere Sätze e ingibt, wird sehen : J e höher der Schwierigkeitsgrad ist , destounverständlicher wird der Output. Gerade die Syntax der deutschen Sprache spielt da oft einen Streich.

Maschinelle Übersetzungen (MT) werden immer besser, allerdings wird noch auf Jahrzehnte ein Fachmann diesen Output kontrollieren und korrigieren müssen – selbst bei 99 ProzentTreffsicherheit. Maschinen lernen , aber fühlen nicht die Nu a ncen . Optimistische Schätzungen gehen in Richtung 20 – jährige Entwicklungszeit.Für den klassischen Übersetzer bedeutet dies, dass er immer mehr zum Revisor wird.

CM: Wie wird sich die Arbeit der Übersetzungsbüros in den kommenden Jahren verändern?

SO: Die weltweite Datenmenge nimmt rasant zu. Und Big Data birgt enorme Chancen: Fortschrittliche Übersetzungstechnologie ermöglicht es Unternehmen, die riesige n Datenmenge n für die mehrsprachige Kommunikation zu nutze n . Gleichzeitig ermöglichen die steigenden Rechnerleistungen den Einsatz von Deep Learning. Dabei handelt es sich um eine Form des maschinellen Lernens, die auf künstlicher Intelligenz beruht. In der Übersetzungsbranche heißt das: Neuronale maschinelle Übersetzung (NMT).

CM: Was ist NMT genau?

SO: Bislang unterstützen Translation Memories die Übersetzer, indem sie in Datenbanken auf vorherige Übersetzungen zurückgreifen. Dadurch lässt sich beispielsweise sicherstellen, dass immer die gleichen Begriffe verwendet werden , auch wenn unterschiedliche Übersetzer an den Texten arbeiten . Bei NMT-Systemen kommen zwei weitere Dinge hinzu: Deep Learning und wesentlich größere Datenmengen. Auf ihrer Grundlage entsteht ein künstliches neuronales Netzwerk. Wir bei Norak sind darauf vorbereitet und entwickeln zusammen mit einigen Keyacc o unts in den USA und Spanien unsere n eigenen Motor . Eine wichtige Voraussetzung ist aber die Qualität der Daten – genau wie beim Credit Management. Wenn die Stammdaten nicht korrekt sind, nützt die beste Software nichts. So ähnlich ist das bei Übersetzungssoftware auch. Werden die Algorithmen gut und reichlich gefüttert, erhält man immer bessere Ergebnisse.

Der Fachübersetzer kümmert sich am Ende – wie der Credit Manager – nur noch um die schwierigen Fälle. Dadurch wird die Produktivität des Fachübe r setzers erheblich gesteigert .

CM: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Markt der Sprachdienstleister?

SO: Der deutsche Markt ist noch sehr atomisiert . Allerdings drängen immer mehr gro ß e angloamerikanische Anbieter auf den Markt, fusionieren und w e rden so auch für Fonds attraktiv ,die sie für weitere A k quisitionen üppig ausstatten. Der technologische Fortschritt ist rasant und man muss ein Volldienstleister sein. Übersetzen allein wird immer seltener. Zudem gilt e s , eine gewisse strategische Größ e zu haben , an seinen Hauptmärkten eigenständig modular rund um die Uhr präsent zu sein und Nischen zu besetzen . FW