Vom Forderungsmanagement zum Liquiditätsmanagement
Als in Asien der Ausbruch des Corona-Virus seinen Lauf nahm, lief die Wirtschaft in Deutschland auf Hochtouren. Von „Vollbeschäftigung“ war die Rede. Mittlerweile hat das Virus auch uns, die Menschen in Europa und Deutschland erreicht. Arbeitnehmer haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Unternehmer, besonders in der Gastronomie, Freizeit- und Touristikbranche, wissen aktuell nicht, wie es weitergeht. Politiker der Landes- und Bundesregierung sind rund um die Uhr damit beschäftigt, Szenarien durchzuspielen und Maßnahmenpakete auf den Weg zu bringen, um die Stabilität der Wirtschaft zu erhalten und damit den wirtschaftlichen Schaden für Unternehmen zu begrenzen. Hierbei wird in der Politik richtigerweise besonders betont, dass das Ziel eine schnelle und unbürokratische finanzielle Unterstützung für Unternehmen sämtlicher Größenordnungen sein muss. Nur dann ist der größtmögliche Fortbestand von Unternehmen zu erreichen.
Besondere Bedeutung bekommt während der aktuell belastenden Zeit das Forderungsmanagement. Wichtig ist, wie immer in einer angespannten Situation, besonnen eine individuelle Strategie zu erarbeiten. Rechnungen sollten weiterhin zeitnah erstellt werden. Auch ein straff geführtes Mahnprogramm hat sich nicht nur in einer Krisensituation bewährt. Sicherlich werden sich in Kürze die Fälle häufen, dass sowohl Privatkunden als auch geschäftliche Vertragspartner verstärkt um eine Stundung oder um eine Abzahlung des Rechnungsbetrages bitten. Hier ist eine individuelle Entscheidung gefragt, die, wenn möglich, aus offenen und ehrlichen Informationen positiv entschieden werden sollte. Regelmäßig sollte eine Vereinbarung in Schriftform festgehalten werden.
Verfallklausel
Bei einer Ratenzahlungsvereinbarung ist es außerdem wichtig, eine sogenannte Verfallklausel aufzunehmen. Hieraus sollte hervorgehen, dass von dem Vertragspartner, sofern dieser mit einer Teilzahlung ganz oder teilweise länger als sieben Kalendertage in Rückstand gerät, die vollständige Ausgleichung des ausstehenden Betrages gefordert werden kann.
Nur im Verbund der Solidargemeinschaft ist eine wirtschaftliche Krise mit den geringsten negativen Folgen am effektivsten zu meistern. Aus diesem Grunde sind wohlwollende Entscheidungen sinnvoll. Ansonsten besteht gerade aktuell die Gefahr, dass bei der Durchsetzung von Forderungen im Bereich der gerichtlichen Feststellung mit anschließender Zwangsvollstreckung der momentan finanzschwache Vertragspartner früher oder später den Schritt in die Insolvenz gehen muss. Dieses bedeutet in der Regel den vollständigen Verlust der Forderung.
Kontaktaufnahme
Das Gebot der Stunde ist deshalb, mit Vertragspartnern, die aktuell ihre Zahlungsverpflichtungen nicht rechtzeitig erfüllen, telefonisch Kontakt aufzunehmen. Es spielt keine Rolle, ob es sich hierbei um Privatkunden oder gewerbliche Vertragspartner handelt. In einem verständnisvollen und offenen Gespräch kann nicht nur in einer Krisensituation eine für beide Vertragspartner angemessene Regelung erreicht werden. Ein besonderer Nebeneffekt liegt darin, dass durch eine gemeinsame Bewältigung einer finanziell angespannten Situation eine gute und vertrauensvolle Basis für die Zeit nach der Krise geschaffen wird. Der unterstützte Kunde dürfte dann in der Regel auch langfristig als dankbarer Partner erhalten bleiben.
Im Rahmen des bestehenden Kontaktverbotes hat das Virus auch die Gerichtssäle erreicht. In der Zwischenzeit werden bereits angesetzte Gerichtstermine in Zivilprozessverfahren mit Hinweis auf die Einschränkung im Sitzungsbetrieb verlegt. Auch Gerichtsvollzieher haben zum Beispiel durch einen Erlass des Justizministeriums NRW die Anweisung erhalten, persönliche Kontaktaufnahmen zu vermeiden. Folge hieraus ist, dass Zwangsvollstreckungsaufträge bis zur Aufhebung der Kontaktsperre nicht bearbeitet werden.
Kosten prüfen
Eine Folge der Krise ist, dass Aufträge aller Art zurückgestellt werden oder gänzlich ausbleiben; fest eingeplante Gelder fehlen. In der aktuellen Situation ist es für viele Unternehmen, ganz egal in welcher Größenordnung, von existenzieller Bedeutung, nicht nur die Auftragssituation und die daraus resultierenden Forderungen im Auge zu behalten. Die wirtschaftliche Situation und damit die Frage nach einer gesicherten Zukunftsperspektive eines Unternehmens ist im Wesentlichen auch davon abhängig, dass die festen und fixen Kosten erfüllt werden können. Hier ist die Klärung der Frage, ob und in welchem Umfange diese Kosten aktuell bestritten werden können, von wesentlicher Bedeutung.
Sollte die erforderliche Liquidität nicht mehr vorhanden sein, ist dringend zu empfehlen, den fehlenden Liquiditätsbedarf durch die Inanspruchnahme der schnellen Hilfen des Bundes beziehungsweise des Landes zu decken. Die Bundesregierung hat zum Schutze der Unternehmen und damit auch der Arbeitnehmer ein weitreichendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Nicht nur durch die einschneidenden Maßnahmen im Privatbereich, sondern auch durch das Soforthilfeprogramm hat die Bundesregierung bewiesen, dass sie gemeinsam mit den Experten das Krisenmanagement beherrscht. Für die anstehende unternehmerische Entscheidung ist es sinnvoll, die Unterstützung durch einen Steuerberater zu suchen.
Informationsaustausch
Beim Thema „Ausgaben“ hat ein Unternehmer weitere Möglichkeiten, die momentane wirtschaftliche Situation zeitlich begrenzt erfolgreich zu verbessern. Wenn Zahlungsverpflichtungen aktuell nicht vertragsgemäß erfüllt werden können, ist es wichtig, Kontakt zum Lieferanten oder Dienstleister aufzunehmen. Das gleiche gilt für Verpflichtungen gegenüber anderen Vertragspartnern, Behörden und Sozialversicherungen, wenn beispielsweise Mieten, Energiekosten oder auch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig erfüllt werden können. Über einen offenen Informationsaustausch ist es möglich, eine wirtschaftlich tragbare Lösung zu erzielen.
Voraussetzung dürfte allerdings sein, dass nur eine rechtzeitige Kontaktaufnahme den gewünschten Erfolg bringen kann. Letztlich hat auch im umgekehrten Falle weder ein Vertragspartner noch eine Behörde ein Interesse daran, dass Unternehmen in einer weltweiten Krise durch eine Insolvenz für immer verloren gehen. Dieses will auch der Gesetzgeber in Deutschland vermeiden und hat deshalb die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei der Überschuldung einer juristischen Person (GmbH) geplant. Auch diese gesetzliche Regelung ist ein wichtiger Baustein für den Fortbestand der Unternehmen in Deutschland.
Das Gebot der Stunde ist somit nicht nur allein das Thema „Forderungsmanagement“. Vielmehr ist es in einem größeren Umfange als „Liquiditätsmanagement“ zu sehen.
Lothar Claahsen, Inkassounternehmer, Buchautor und Referent für das Forderungsmanagement
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