Mit Weitsicht, persönlicher Stärke und Initiative gegen die Krise

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben inzwischen weite Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens lahmgelegt. Die Frage, was nun zu tun ist, kann pauschal nicht beantwortet werden. Die für ihn beste Lösung muss jeder Unternehmer individuell selbst finden, betont Rechtsanwalt Wolfgang Walter Horn, Counsel bei der in Amsterdam ansässigen Kanzlei Bavelaar & Bavelaar. Und eröffnet im folgenden Beitrag Aussichten auf ein „Leben nach Corona“. Hauptsache, unbedingt weitermachen, nicht in Panik verfallen, die staatlichen sowie privatwirtschaftlichen Hilfsangebote nutzen und mit der IHK, mit seiner Hausbank, den Sozialversicherungsträgern sowie dem Finanzamt sprechen. Getreu dem Motto: Jede Information hilft!

Wie arbeitet mein Betrieb jetzt weiter die nächste Zeit? Diese Frage ist momentan nur sehr schwer zu beantworten. Eigentlich gar nicht. Es bestehen zu große Unterschiede in den einzelnen Branchen. Ein großes Industrieunternehmen wird die Krise grundsätzlich besser überstehen können als ein kleiner Handwerker oder Freiberufler. Und ganz dramatisch – man kann fast sagen: vernichtend – trifft es die Gastronomie.

Waren, die derzeit zwar nicht mehr produziert oder ausgeliefert werden, oder Handwerksarbeiten, die nicht mehr ausgeführt werden, oder freiberufliche Dienstleistungen, die derzeit ruhen, können nach dem Ende der Krise wieder produziert und verkauft bzw. ausgeführt oder nachgeholt und damit wieder berechnet werden. Aber ausgebliebene Restaurant- oder Gaststättenbesuche sind schlichtweg perdu; der nicht stattgefundene Umsatz wird nicht nachgeholt, sondern bleibt auf Dauer verloren. Die Frage, was zu tun ist, kann daher pauschal nicht beantwortet werden; die für ihn beste Lösung muss jeder Unternehmer individuell selbst finden. So wenig hilfreich dies klingt…

Hierzu ein paar Anmerkungen:

Die unabdingbare Maxime, in welchem Unternehmen auch immer, muss sein: weitermachen, so lange berechtigte Aussicht auf ein „Leben nach Corona“ besteht. Aber bitte ohne jede Illusion. Man muss erkennen, wann man verloren hat – so hart dies hier klingt -, denn andernfalls setzt man sich über das ohnehin bestehende Elend hinaus noch tiefer in die Nesseln (Weiteres hierzu unter Anmerkung 6).
Dies bedeutet, trotz aller aufkommenden Emotionen nüchtern und realistisch seine individuelle Lage zu sondieren. Panik ist ebenso unangebracht wie das Aufsetzen der „rosaroten Brille“. Ziehen Sie unbedingt Fachleute zu Rate (Steuerberater, Unternehmensberater und Rechtsanwälte arbeiten auch in Corona-Zeiten, notfalls vom Home Office aus); dies ist dank moderner Kommunikationsmittel überhaupt kein Problem, dazu muss man sich nicht über einen Konferenztisch hinweg anhusten.

Home Office, Überstundenabbau oder Urlaub statt Kündigung

Keine überhasteten Aktionen! Also beispielsweise lieber Kurzarbeit beantragen, soweit möglich die Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten lassen, und/oder Überstunden und ausstehende Urlaubstage abbauen, anstatt Kündigungen auszusprechen. Letzteres ist derzeit ein heißes Thema. Ich werde oft gefragt, ob der Corona bedingte Umsatzrückgang einen kündigungsrelevanten (= betriebsbedingten) Grund darstellt. Tja, dazu gib es zwar mangels vergleichbarer Situationen noch keine Rechtsprechung, aber ich meine, nein! Jedenfalls nicht, wenn berechtige Aussicht auf „Erholung“ des Betriebes nach der Pandemie besteht.
Um beim Arbeitsrecht zu bleiben: Es wird vielfach die Meinung geäußert, dass Arbeitnehmer ein Recht darauf hätten, zu Hause zu bleiben, wegen der Ansteckungsgefahr, insbesondere aber auch, wenn auf Grund erfolgter Kita- und Schulschließungen die Kinder zu Hause betreut werden müssen. Diese Meinung ist aber falsch. Der Arbeitnehmer hat weder das Recht auf Zuhausebleiben wegen Ansteckungsgefahr oder Kinderbetreuung, noch darauf, die Kinder zur Arbeit mitzubringen. Wenn der Arbeitnehmer eigenmächtig handelt, kann dies seitens des Arbeitgebers Abmahnungen und ggfs. sogar die Kündigung wg. Arbeitsverweigerung zur Folge haben. Ich darf in diesem Zusammenhang an das denkwürdige Interview von Anfang dieser Woche im Abendprogramm des NDR mit dem Vorstandsvorsitzenden der Salzgitter AG erinnern, in welchem dieser – auch in sehr brüskem Ton – ausführte, eine Einschränkung der Arbeitstätigkeit sei dort „nicht vorgesehen“, jeder Arbeitnehmer habe zum Dienst zu erscheinen, und jeder Arbeitnehmer sei ausschließlich selbst dafür verantwortlich, wie er seine häusliche Situation regle.

Menschlich verträgliche Regelungen

Ich halte dies zwar von Ton und Inhalt her menschlich für mehr als bedenklich, und auch stimmungsmäßig für zumindest außerordentlich ungeschickt, es ist aber leider juristisch korrekt. Trotzdem, Recht hin oder her, versuchen Sie lieber, in solchen Fällen eine auch menschlich verträgliche Regelung zu finden. Denn wie man in den Wald hineinruft, so hallt es wieder heraus, und die Pandemie wird sicher einmal beendet sein, und dann wollen Sie doch mit positiv gestimmten und betriebstreuen Mitarbeitern Ihr Business wieder ans Laufen bringen.

Vorsicht übrigens bei Auszubildenden; diese können Sie nicht einfach nach Hause schicken. Die haben einen Anspruch auf Ausbildung! Aber wie diesen erfüllen, wenn der Betrieb vorübergehend schließen musste, oder es gar Ausgangssperren gibt? Sorry, dies kann momentan niemand sagen, schon gar nicht in allgemeingültiger Form. Im Verlauf der Krise wird es sicher noch viele andere bisher ungeklärte Fälle und Situationen geben, die dann nach ihrem Ende aufgearbeitet werden müssen.

Selbst aktiv werden!

Versuchen Sie daher unbedingt, Ihr Unternehmen über die Krise zu retten, wie schon ganz oben unter 1 ausgeführt. Es gibt hierzu auch gute Chancen. Täglich werden neue staatliche wie privatwirtschaftliche Hilfsangebote getätigt und Hilfsprogramme aufgelegt; nutzen Sie alles aus, was sich Ihnen bietet. Dazu müssen Sie aber selbst aktiv werden, von Seiten des Staates aus wird Ihnen sicher keine Hilfe aufgedrängt (es sei denn vielleicht, sie heißen Lufthansa oder Deutsche Bahn oder dergleichen). Erkundigen Sie sich daher bei allen einschlägigen Stellen, sei es lokal oder überregional, bei landesweit oder gar bundesweit agierenden Institutionen. Sprechen Sie insbesondere mit „Ihrer“ IHK oder Handwerkskammer, und vergessen Sie auch nicht, mit Ihrer Hausbank zu sprechen. Diese ist momentan ggfs. entgegenkommender als noch vor einem halben Jahr, wenn es um die Einräumung oder Aufstockung eines Kredits geht. Jede Information hilft!
Auch wenn ich mich wiederhole: vermeiden Sie extreme Reaktionen! Panik („ogottogott, jetzt ist alles aus!“) ist ebenso falsch wie Bräsigkeit („irgendwann und irgendwie wird’s ja wohl weitergehen“). Was Ihnen als in Deutschland tätigen Unternehmer aber immer im Nacken sitzt, und was Sie daher stets im Hinterkopf haben müssen, ist die Insolvenzantragspflicht im Falle der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung. Wenn Sie diese verletzen, droht Ihnen die persönliche Haftung! Solange Sie berechtigte Erwartungen haben können, das Unternehmen zu retten, besteht sie nicht. Die Betonung hierbei liegt indes auf „berechtigt“, und man kann nur raten, auch zweifelsfrei zu dokumentieren, woraus Sie die Berechtigung Ihrer Rettungserwartung ziehen. Lediglich Hoffnung auf Besserung der Umstände reicht nicht aus; bekanntermaßen ist die Hoffnung der Tod des Kaufmanns. Lassen Sie sich dazu unbedingt von Ihrem Steuerberater und Ihrem Anwalt beraten.

Hüten Sie sich vor einer Insolvenzverschleppung!

Gefährlich in solchen Situationen sind die Sozialversicherungsträger und die Finanzämter. Sprechen Sie im Zweifelsfall mit diesen, z.B. über die Aussetzung von Vorauszahlungen, Stundungen, Ratenzahlungen oder dergleichen. Die Erfahrung zeigt, dass hier oftmals Verständnis entgegengebracht wird, gerade in Situationen wie der jetzigen, in welchen die Probleme von außen herangetragen wurden und nicht „hausgemacht“ sind. Ansonsten fangen Sie sich ganz schnell einen von der Krankenkasse oder dem Finanzamt gestellten Insolvenzantrag ein, und dann haben Sie auch den Staatsanwalt schneller am Hals, als Sie diesen Artikel lesen können.

Wenn es erkennbar nicht weitergeht, und keine wirklich berechtigte Aussicht auf Besserung besteht, ist die eigene Anmeldung der Insolvenz – lieber zu früh als zu spät – anzuraten. Insolvenz anmelden zu müssen, ist fürchterlich unangenehm, aber es ist in unseren modernen Zeiten keine persönliche Schande mehr, schon gar nicht, wenn die Insolvenz eine unverschuldete Folge von äußeren Umständen ist, auf die man keinen Einfluss hat. Niemand muss sich heutzutage mehr als „Bankrotteur“ zur Ehrenrettung auf dem Marktplatz erschießen. Die juristischen und wirtschaftlichen Folgen einer sogenannten Insolvenzverschleppung sind wesentlich schlimmer! Nicht nur, dass mit einer satten Strafe zu rechnen ist. Man kann auch in die persönliche Haftung für alle daraus folgenden Schäden geraten, da nützt Ihnen die GmbH oder B.V. gar nichts mehr.

Abschließend wünsche ich Ihnen bei der Bewältigung der Krise viel Weitsicht, persönliche Stärke, viel Erfolg, und nicht zuletzt viel Glück (denn auch dieses braucht man stets). Und vor allem: bleiben Sie gesund!

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